Warum die deutsche Wirtschafts- und Außenpolitik in die Sackkasse führt
Wir haben eine Außenministerin, die mit einem moralischen Zeigefinger agiert. Ist das nicht kontraproduktiv?
Interessen- oder wertegeleiteten Außenpolitik muss man sich leisten können. Doch das tun wir nicht.
Jetzt müssen wir chinesischer werden und uns das „Sowohl-als-auch“ Mindset aneignen. Ja, Menschenrechte und Klimaschutz sind natürlich wichtig. Aber wir sollten da nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Vielmehr müssen wir mit Augenmaß und einem gewissen nüchternen Realitätssinn und Pragmatismus handeln. Nur so sind auch Themen wie Menschenrechte und Klimaschutz nachhaltig umsetzbar. Andernfalls ist mit dem Mittelstand auch unser Wohlstand in Gefahr.
Das Lieferkettengesetze ist ein Beispiel dafür. Es gibt viele andere europäische Länder, die auch Lieferkettengesetze haben, die aber deutlich leichter in der Anwendung sind. Unsere Bürokratie ist nicht mal in der Lage Daten vernünftig auszutauschen.
Was kann die deutsche Chinapolitik besser machen?
Die Chinapolitik macht mir große Bauchschmerzen. Es gibt da eine gewisse Rivalität zwischen Außenministerium, Wirtschaftsministerium und Kanzleramt. Letztere machen eher eine pragmatische Politik. Das hat man auch bei der Cosco-Entscheidung gesehen.
Wo ich mir Sorgen machen, ist die deutsche Sicherheits- und Chinastrategie, die zum Sommer hin verbindlich festgelegt werden soll. Hier sind bereits ein paar Entwürfe aus dem Hause Habeck durchgesichert. Beispielsweise sollen die Mittelständler im Rahmen umfassender Berichts- und Aufsichtspflichten, genau analysieren und berichten, wo sie ihre Abhängigkeiten in China sehen.
Bei so einer Berichtspflicht stehen Nutzen und Aufwand nicht in einem sinnvollen Verhältnis. Ich hoffe nicht, dass es in dieser Endfassung so bleiben wird. Zumal es wegen unserer der typischen westlichen schwarz/weiß-Malerei zu extremen Reaktionen kommen kann. Das kann zu einer völligen Entkopplung von China führen. Wir dürfen China nicht als die Bösen betrachten. Das können wir uns nicht leisten und es ist nicht angebracht. Vielmehr brauchen wie das „Sowohl-als-auch“ Mindset, anstatt die Welt mit dem erhobenen Zeigefinger zu missionieren. Die Politik muss China viel differenzierter und diplomatischer betrachten. Rote Linien führen nicht zum Ziel.
China ist nicht daran interessiert, den Westen in Armut zu stürzen. Sie sehen uns auch als Zukunfts- und Wachstumsmärkte.
Ganz genau und auch weiterhin als Technologielieferant. Wobei unsere Bedeutung als Technologielieferant schwindet, da Chinesen in vielen Bereichen dabei sind, die Technologieführerschaft zu übernehmen. Dennoch haben wir noch genügend im Petto, um für sie noch in ein, zwei, drei Jahrzehnten wichtig und unverzichtbar zu sein.
Und deswegen haben sie auch kein Interesse an einem harten Bruch. Wir sind viel zu sehr mit China verzahnt und brauchen uns wechselseitig. Vielmehr als China beispielsweise Russland braucht. Die Chinesen wissen sehr genau, was sie tun und denken strategisch.
An China und Asien führt also kein Weg vorbei?
Asien ist und bleibt eine starke Wachstumslokomotive der Region und der Welt. Daher auch mein Appel an die deutsche Wirtschaftspolitik. Auch wenn der China-Taiwan-Konflikt eskaliert, dürfen wir nicht schwarz/weiß denken, sondern müssen weiterhin die diplomatische Zusammenarbeit pflegen, indem die Politik strategisch auf die nächsten Jahrzehnte plant und nicht bis zur nächsten Wahl.
Hier sind weitere Teile der Serie “Chinas Seele verstehen” aufgeführt
Teil 1: Warum mittelständische Unternehmen sich nicht gänzlich von China und Asien abwenden sollten
Teil 2: Freihandelsabkommen RCEP: Große Chancen für den Mittelstand
Teil 3: China strebt die Weltspitze an: Was ist deren Erfolgsgeheimnis
Teil 4: Die Politisierung der Wirtschaft Chinas verstehen
Über Prof. Dr. Karl Pilny
Der internationale Wirtschaftsanwalt Prof. Dr. Karl Pilny gilt als einer der profundesten Asienkenner im deutschsprachigen Raum. Der japanisch-sprechende Investmentexperte hat viele Jahre in Asien gelebt und in den vergangenen dreißig Jahren zahlreiche Investitionen in und nach Asien begleitet. Prof. Dr. Pilny ist Geschäftsführer der auf Markteintritte in Asien spezialisierten Beratungsgesellschaft asia21 GmbH in Zürich und darüber hinaus seit vielen Jahren als Unternehmer und Business Angel tätig. Mit der Dealmaker.io GmbH und dem Asia Strategy Institute beim BWA in Berlin verhilft er europäischen Unternehmern zum erfolgreichen Eintritt in asiatische Märkte und begleitete asiatische Firmen auf ihrem Weg nach Europa.
Neben einem starken Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist Pilny gefragter Keynote Speaker und Autor diverser Bücher mit Asienbezug. Bekanntheit erlangte insbesondere seine Trilogie „Das asiatische Jahrhundert“. Diese ist beim Campusverlag erschienen und umfasst „Das asiatische Jahrhundert“ (Ostasien), „Tanz der Riesen“ (Südasien) und „Tiger auf dem Sprung“ (Südostasien). Ferner erschien 2010 beim Finanzbuchverlag München sein „Investment Guide Asien“. „Asia 2030 – was der globalen Wirtschaft blüht“, die Fortsetzung der Trilogie, wurde 2019 für den getAbstract International Book Award nominiert.
Mitgründer und Geschäftsführer von Dealmaker.io GmbH
Prof. Pilny ist Mitgründer und Geschäftsführer von Dealmaker.io GmbH. Dies ist für Leser interessant, wenn es darum geht, wie sich in Asien aufstellen, wie sie lokale Partner vort Ort finden oder wie man reagiert, wenn asiatische und chinesische Unternehmen beispielsweise die Lieferketten aus ihrer Perspektive umstrukturieren. Als digitaler Transaktionsberater hilft Dealmaker.io zudem bei allen Fragen rund um den Unternehmensverkauf.
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Über das Buch „Praxiwissen China“
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