„Für mich war immer klar, dass ich in eines unserer Familienunternehmen einsteigen werde“ – Matthias Händle, Partner bei der PETER MAY Family Business Consulting, im Interview
Matthias Händle spricht im Interview mit Alexander Hornikel, Senior Partner bei Kloepfel Consulting, über die Bedeutung und Vorteile von Familienunternehmen sowie über die aktuellen Herausforderungen vor denen familiengeführte Unternehmen heutzutage stehen.
Sie sind Partner bei der PETER MAY Family Business Consulting GmbH & Co. KG. Wie sah Ihr beruflicher Werdegang aus?
Ich bin in eine Unternehmerfamilie hineingeboren. Mein Vater führte in der dritten Generation ein Unternehmen im Bereich der Bürowirtschaft, mit Sitz in Osnabrück. Zudem war er aber auch noch zusammen mit seinen beiden Brüdern an einer Maschinenfabrik und einer BMW-Vertretung in Nürnberg beteiligt.
Für mich war immer klar, dass ich in eines der Familienunternehmen einsteigen werde. So absolvierte ich ein duales Betriebswirtschaftsstudium in Kiel. Da ich in den Praxisblöcken einen Einblick in viele unterschiedliche Unternehmen gewinnen konnte, wurde ich dazu motiviert, an der Boston University in London und Boston meinen Master in internationaler Betriebswirtschaftslehre zu absolvieren.
Wie bei Familienunternehmen oft üblich, verläuft der Weg manchmal doch anders als erwartet und so stieg ich nach meinem Masterstudium in das Familienunternehmen meiner Frau ein. Zunächst war ich dort als Assistent meines Schwiegervaters tätig. Dann als Geschäftsführer unserer Einzelhandelsaktivitäten, danach als Key-Account-Manager und schließlich über zehn Jahre als geschäftsführender Gesellschafter und CEO der Gruppe.
In meiner berufsbegleitenden Promotion an der University of Bradford habe ich mich bereits mit Fragen des internationalen Handels beschäftigt. Diese Begeisterung am Außenhandel hat mich dazu motiviert, mich als Präsident der Außenhandelsvereinigung des Einzelhandels, Mitglied in den Präsidien von HDE (Handelsverband Deutschland) und BGA (Bundesverband Groß- und Außenhandel), sowie Mitglied des Außenwirtschaftsbeirates im Bundeswirtschaftsministerium, zu engagieren.
Neben dem Schuhhandel haben mich aber auch immer andere Branchen interessiert, da ich davon überzeugt bin, dass man durch die unterschiedlichen Herangehensweisen viel lernen kann. So war ich bei MAXDATA Mitglied des Aufsichtsrats und bin heute bei L&T (Textileinzelhandel), Projekteins (IT Entwicklung) und bei der Rügenwalder Mühle im Beirat bzw. Aufsichtsrat tätig.
Welche Vorteile bieten Familienunternehmen?
Über 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen und rund 55 Prozent aller Beschäftigten arbeiten in einem. Obwohl das Vorurteil besteht, dass familiengeführte Unternehmen weniger erfolgreich sind, ist das wissenschaftlich klar widerlegt. Der Fokus, in Generationen zu denken, bringt eine ganz andere Vorgehensweise, sogar eine ganz andere Betriebswirtschaft mit sich.
Menschen, die in einem Familienunternehmen arbeiten, merken oft erst die Andersartigkeit, wenn ein solches Unternehmen infolge einer Übernahme den Eigentümer wechselt. Ich bin davon überzeugt, dass in Familienunternehmen auch hart gearbeitet werden muss und es sicher auch nicht immer gerecht zugeht, aber die Kultur, die Stimmung – vielleicht auch der Sinn in der Arbeit – unterscheidet sich.
Deshalb sind Sie also noch immer für Familienunternehmen tätig?
Ja. Nachdem ich unser Familienunternehmen an einen Privat-Equity-Fonds verkauft hatte, führte mich ein langes Gespräch mit meinem Freund Prof. Peter May in die Beratung von Familienunternehmen bzw. in die Beratung von Inhabern. Hier kann ich meine operative Erfahrung aus meiner 24-jährigen Arbeit in einem Familienunternehmen einbringen. Ich unterstütze die Gesellschafter, in vielen Fällen auch die NextGen bei ihrer Aufgabe, das Unternehmen strategisch zu steuern und weiterzuentwickeln. Ich bilde somit die Schnittstelle zwischen Inhaber und Unternehmen. Da ich in meiner Laufbahn auf beiden Seiten gesessen habe, kann ich nicht nur aus Büchern zitieren, sondern weiß, wie es ist, persönlich involviert zu sein.
Welche Hindernisse kommen auf Familienunternehmen bei der Wahl der passenden Inhaberstrategie zu?
In einem börsennotierten oder staatlichen Unternehmen interessiert es niemanden, welche Strategie die Gesellschafter verfolgen möchten. Am Ende können sie ja Ihre Anteile jederzeit verkaufen, wenn ihnen die Arbeit der Geschäftsführung nicht passt.
Im Familienunternehmen ist die Sachlage eine ganz andere: Ein Teil der Dividende kann man als emotionale Dividende bezeichnen. Hier schlummert aber auch schon die erste Herausforderung. Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten, sagt das Sprichwort. Die Familienmitglieder sind nicht nur unterschiedlich ausgebildet und unterschiedlich stark emotional an das Unternehmen gebunden, sondern sie sind auch Individuen mit eigenen Persönlichkeiten und Zielsetzungen. Zerstrittene Inhaber brauchen viel Kraft für das Bewältigen der Konflikte – Kraft, die im Zweifel für die Weiterentwicklung des Unternehmens fehlt. Wir alle kennen die tollen Serien vom Denver Clan und Dallas. Der Zuschauer kann sich an der zerstörerischen Gemengelage jahrelang erfreuen. Als Betroffener ist eine solche Situation nicht selten die Hölle.
Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten
Matthias Händle
Warum diese lange Ausführung? Es muss jedem klar sein, dass die Inhaberstrategie unmittelbar mit der Unternehmensstrategie verknüpft ist. Läuft etwas auf der Inhaberseite schief, wird es bestenfalls zu einem geordneten Verkauf kommen, schlimmstenfalls zum Ruin des Unternehmens. Deshalb hat das Erarbeiten einer passenden Inhaberstrategie höchste Priorität. Für Alleininhaber stellt sich dieses Problem nicht und vielleicht in der zweiten Generation auch noch nicht, wenn die Geschwistergeneration harmonisch im Unternehmen zusammenarbeitet. Spätestens beim zweiten Generationswechsel danach wird es aber zwingend, die einzelnen Themen zu systematisieren und umzusetzen.
Welche Herausforderungen sind aktuell für Familienunternehmen besonders kritisch?
Spontan fallen einem immer sofort die Digitalisierung und die disruptiven Entwicklungen in vielen Geschäftsfeldern ein. Das stimmt sicher auch, aber Familienunternehmen waren immer anpassungsfähig und konnten mit den Entwicklungen mithalten. Mehr noch: Sie haben diese Entwicklungen oft erst ausgelöst.
Heute spielt bei fast allen meinen Mandaten das Thema Erbschaftssteuer wieder eine erhebliche Rolle. Politisch und gesellschaftlich haben wir alle das Gefühl, die Reichen werden immer reicher und Inhaber von großen Unternehmen haben ja sowieso genug Geld. Nun müssen wir aber sehen, dass der Wohlstand unseres Landes auf dem Mittelstand aufgebaut ist und eine Überführung der Familienunternehmen in eine neue Struktur nachweislich keinen volkswirtschaftlichen Mehrwert generiert – ganz im Gegenteil! Nun möchte ich hier keine erbschaftssteuerliche Abhandlung geben, aber in meiner Aufgabe, komme ich an vielen Themen, die Inhaber heute berührt vorbei.
Ein anderes Thema in Inhaberfamilien wird nicht nur aus Gründen der Finanzierung, sondern vor allem auch um zusätzliches Know-how zu erhalten, über Kooperationen nachgedacht. Da Inhaber besonders kritisch über das Preisgeben von Betriebsgeheimnissen denken, ist so ein Schritt oft mit Bedenken belastet und bedeutet häufig eine Abkehr von bisher verfolgten Strategien. Dennoch können Kooperationen – zumal unter Familienunternehmen, die oft grundsätzlich ähnlich “ticken“ – eine geeignete Maßnahme sein, um neuen Herausforderungen zu begegnen.
Ein weiteres drängendes Problem für Familienunternehmen – die ihren Sitz oft abseits der Ballungsräume haben – ist, dass es ihnen zunehmend schwerer fällt, geeignete Führungskräfte und Fachpersonal zu finden. Hier sind kreative Lösungen und neue Arbeitsmodelle gefragt.
Welche drei Tipps haben Sie für Familienunternehmen in Sachen Nachfolge?
Zunächst sollten sich alle Beteiligten im Klaren sein, dass die Nachfolge sachlich sowie emotional eine der schwierigsten Aufgaben im Leben eines Unternehmers darstellt. Das Thema Nachfolge auf steuerliche Aspekte oder auf Tradition und den Gesellschaftsvertrag zu reduzieren, führt in vielen Fällen zu erheblichen Problemen.
Es sollte früh mit den Überlegungen begonnen werden, um alle möglichen Optionen alleine und gemeinsam, idealerweise mit erfahrenen Beratern, durchspielen zu können.
Nachdem alle Überlegungen gereift und zur Umsetzung vorbereitet wurden, sollten die verabredeten Schritte konsequent und zügig vollzogen werden. Dabei muss dem Nachfolger oder der Nachfolgerin der nötige Freiraum geben werden, da die nachfolgende Generation sicher vieles anders, nicht aber unbedingt schlechter macht. Es gilt, sich vor Augen zu führen, dass die abgebende Generation die Geschicke des Unternehmens nur durch eine gelungene Nachfolge auf Dauer positiv beeinflussen kann.
Wie sieht die Zukunft der Familienunternehmen aus?
Das älteste Familienunternehmen ist Houshi Onsen aus Japan, gegründet 718. Das älteste deutsche Unternehmen ist das Weingut Fürst Hohenlohe Oehringen aus dem Jahre 1253. Ich habe größte Zuversicht in Familienunternehmen generell und in Deutschland im Speziellen. Es wird in der heutigen Zeit immer mehr Professionalisierung verlangt und genau dieser Herausforderung stellen sich die Familienunternehmen auch.
Vielen Dank für das Interview!