So setzen sich Unternehmen dem entgegen
Die Strom- und Energiepreise steigen extrem. Noch dazu kann niemand zuverlässig sagen, wie sich die Preise zukünftig entwickeln werden. Hinzu kommen geopolitische Risiken wie der Konflikt mit Russland im Rahmen der Ukraine-Krise. Dennoch gibt es für mittelständische Unternehmen Lösungen, Mondpreise nicht einfach hinzunehmen, sondern Alternativen zu finden und diese zu verhandeln. Ein Praxisbericht aus Österreich, der sich aber auf den deutschen Strommarkt übertragen lässt.
Ausgangssituation
In den letzten Monaten sind viele kleinere deutsche Stromanbieter, die als Trader agierten, in Konkurs gegangen. In diesem Praxisbericht hat der Kunde vor einem Jahr einen sehr günstigen Abschluss bei einem Trader getätigt. Der vereinbarte Preis lag bei 40 € pro Megawattstunde. Jedoch aufgrund der Preisexplosion am Energiemarkt (28.01.21: 258,58 Euro/MWh nach 126,56 Euro/MWh für das 4. Quartal 2021) ging auch dieser kleinere Anbieter bankrott. Daraufhin bekam der Kunde die Information, dass man zwei drei Wochen Zeit hat, einen neuen Anbieter zu finden. Ansonsten hätte die E-Control-Regulierungsbehörde für den österreichischen Energiemarkt dem Kunden einen Anbieter zugelost, welcher nach dem Spotmarkt abrechnen wird.
Das wäre für den Kunden nicht hinnehmbar gewesen, da die Preise am Spotmarkt mittelfristig deutlich höher sein können als die Preise am Terminmarkt. Während man am Spotmarkt Strom jederzeit zum aktuellen Preis hinzukauft, wird Strom am Terminmarkt zu einem aktuellen fixen Preis für eine bestimmte Periode zugekauft.
Daher sind viele kleine und mittelständische Unternehmen auf der Suche nach alternativen Stromanbietern, die allerdings aufgrund der derzeit hohen Nachfrage schwer zu erreichen sind. Zudem ist der Energiemarkt sehr intransparent. Es gibt viele verschiedene Produkte, unterschiedlichste Anbieter und sich täglich ändernde Spekulationen über die Entwicklung der Preise.
Zielsetzung
1. Vermeidung der Verlosung und Verrechnung über Spot via E-Control
Es galt binnen zwei bis drei Wochen einen alternativen Weg zu finden, andernfalls hätte man einen Stromanbieter zugeteilt und damit einen Preis vom Spotmarkt aufgebrummt bekommen. Der Kunde musste daher schnell reagieren.
2. Transparenz schaffen durch verständliche Erläuterung der Vielzahl an Produkten und Möglichkeiten
Die Preise der verschiedenen Anbieter wurden vergleichbar gemacht, um Benchmarks zu bekommen, die aufzeigen wer das beste Preis-Leistungsverhältnis bietet. Zudem wurde ein Szenario über mittelfristige Preisentwicklungen erstellt. Das ist zwar ein Blick in die Glaskugel, bietet aber eine grobe Orientierung als Entscheidungsgrundlage.
3. Flexibilität schaffen
Es ging auch darum, dass sich der Kunde Dank der geschaffenen Transparenz mittel-bis langfristig nicht von bestimmten Anbietern oder Preisen abhängig macht und das Know-how des Stromeinkaufs im Haus verbleibt.
4. Optimierung des Stromeinkaufs
Der Energiepreis unterscheidet sich bei den Anbietern, je nachdem, in welchem Verhältnis diese an Spot- oder Terminmärkten selbst einkaufen. Hier sind Savings möglich, indem man für sich die bestmögliche Kombination aus Spot- und Terminmarkt sowie aus Base- und Peak-Verhältnis findet.
Exkurs: Termin- oder Spotmarkt?
Bei den Angeboten der Lieferanten kommt es unter anderem auf die richtige Mischung aus Einkäufen auf dem Spot- und Terminmarkt an. Für Unternehmen mit einem großen Stromverbrauch können Terminmarktverträge vorteilhaft sein, da man dann langfristig planen kann und für den entsprechend abgeschlossenen Zeitraum abgesichert ist.
Der Terminmarkt ist allerdings eine Art Wette darauf, wie sich der Strompreis in Zukunft entwickeln wird. Umso längere Verträge man am Terminmarkt abschließt, umso mehr Preisrisiko geht man ein. Denn der tagesaktuelle Strompreis kann in ein paar Monaten oder in einem Jahr am Markt durchaus auch günstiger sein als der Strom, den man am Terminmarkt eingekauft hat – und umgekehrt. Daher muss das Risiko klug gestreut werden. Die Streuung des Risikos in diesem Fall erfolgte durch Zukauf von 70% des Stroms am Terminmarkt und von 30% am Spotmarkt. Dies muss von Fall zu Fall entschieden werden. Falls der Strom dann später nicht ausreicht, muss man diesen am Spotmarkt zukaufen.
Exkurs: Das richtige Verhältnis aus Base- und Peak-Kontrakten
Der Energiepreis, den man am Terminmarkt zahlt, setzt sich aus einem Base- und Peak-Verhältnis zusammen. Beispielsweise kauft man 90% der benötigten Strommenge für den Normalverbrauch (Base-Kontrakt) und 10% für die Abdeckung der Spitzen (Peak-Kontrakt). Base bedeutet eine kontinuierliche Strombelieferung, bei der jede 15 Minuten dieselbe Leistung an Strom geliefert wird. Bei einem Peak-Kontrakt wird die gleiche Strommenge durchgehend von Montag bis Freitag von 8-20 Uhr geliefert. Außerhalb dieser Zeiten und an Wochenenden wird nur Strom aus dem Base-Kontrakt geliefert.
Dabei ist der Strom im Peak-Bereich deutlich teurer als der Strom aus dem Base-Bereich. Die richtige Kombination aus Base und Peak hängt davon ab, wie der Stromverbrauch des Unternehmens aussieht. Ist der Verbrauch immer konstant, ist er schwankend, unterscheidet sich der Verbrauch des Stroms nach Schichten in der Produktion?
Die Preise für Base- und Peak-Kontrakte am Terminmarkt findet man im Energiepreisindex und diese ändern sich nach Vertragsabschluss nicht mehr. Hier muss der Stromkunde darauf achten, dass der Lieferant nicht einfach einen bestimmten Prozentsatz für den Base- bzw. Peak-Kontrakt festlegt, sondern sich an der tatsächlichen Auslastung des Kunden orientiert. Da dies nicht immer geschieht, ergeben sich hier hohe Einsparpotentiale, wenn zu viel aus dem Peak-Bereich zugekauft wird. Das eine Unternehmen braucht bspw. 90% aus dem Base-Bereich und 10% aus dem Peak-Bereich, während ein anderes Unternehmen einen Bedarf von 95% Base-Anteil und nur 5% Peak-Anteil hat.
Zudem sind die Zuschläge der Anbieter verhandelbar. Das sind ca. 2% vom gesamten Volumen.
Kloepfel Consulting konnte in dem konkreten Fall Einsparungen erzielen, indem man verhindert hat, dass der Kunde zu viel am Spotmarkt zukauft, was derzeit ca. 30% bis 40% teurer ist. Momentan ist der Strom am Spotmarkt sehr teuer, das muss aber nicht immer so sein. Man geht davon aus, dass die Spotpreise zumindest im ersten Halbjahr 2022 sehr hoch sein werden. Da im Sommer bspw. weniger geheizt wird, sinken die Strompreise voraussichtlich wieder. Jedoch mit Blick auf die Ukraine-Krise und die Bedeutung Russlands für den deutschen Strommarkt, können die Strompreise auch steigen.
So oder so kommt es bei den Angeboten der Lieferanten auf die richtige Mischung aus Einkäufen auf dem Spot- und Terminmarkt sowie dem optimalen Base- und Peak-Verhältnis an. Entsprechend wurde ein Lieferant verhandelt und ausgewählt.
5. Zusammensetzung des Strompreises transparent machen
Transparenz schaffen durch Auflistung der Kostenblöcke (Steuer und Abgaben, Netztarif, Energiepreis).
6. Übernahme der Kosten in die Vertriebskalkulation des Kunden
Dabei wird ermittelt, wie der Kunde die Strompreise in seine Produkte einkalkulieren kann.
Methodik
Zunächst wurde der Markt gescreent und tiefergehende Fachgespräche mit diversen Anbietern geführt, um Verständnis für die verschiedenen Produkte und Preiskalkulationen zu bekommen. Anschließend wurde überlegt, in welchen Zeiträumen man den Strom einkauft:
- Jahreskontrakte (nur für Terminmarkt relevant)
- Halbjahreskontrakte (nur für Terminmarkt relevant)
- Quartalskontrakte (nur für Terminmarkt relevant)
- Spotzukauf (aktuell deutliche höherer Preislevel)
- Zukauf Terminmarkt, Spot oder Mix aus beiden
Dank Quartals- und Halbjahreskontrakten kann man im Marktumfeld öfter ausschreiben, um auch auf Marktbewegungen zu reagieren, wenn die Preise wieder nach unten gehen. Beispielsweise sind die vom Gas getriebenen Strompreise im Sommer in der Regel günstiger, weil weniger geheizt und damit weniger Energie nachgefragt wird. Die Kehrseite der Medaille ist, dass je kürzer die Kontrakte sind, desto höher der Energiepreisindex ist
Man entschied sich schließlich für einen Jahreskontrakt, um das Thema Strom im Sommer 2022 für das Jahr 2023 neu ausschreiben zu können und die für den Kunden beste Kombination aus Spot- und Terminmarkt einzukaufen. Grund ist, dass die Preise im Sommer 2022 sehr wahrscheinlich nicht ausreichend fallen, sodass ein Halbjahreskontrakt gerechtfertigt wäre. Daraufhin galt es, verkaufswürdige Partner zu selektieren.
Ergebnis
Man konnte dem Management in kürzester Zeit einen umfassenden Überblick über die eigene Energiebeschaffung vermitteln: Zum einen konnte man besser abschätzen, in welche Richtung sich die Preise entwickeln. Beispielsweise treibt Gas in der Heizwärmeperiode den Strompreis an. Man kann also davon ausgehen, dass der Strompreis im Sommer in der Regel günstiger ist als im Winter. Laut einer Umfrage gehen 60% der Anbieter davon aus, dass sich die Strompreise ab der zweiten Jahreshälfte 2022 erholen werden. Hingegen rechnen 40% nicht damit, da in Deutschland die Grünen in der Regierung sind und die preiswerte Atomkraft in Deutschland damit vor dem Aus steht. Mit Blick auf Nordstream 2 können im Rahmen der Ukraine-Krise geopolitische Konflikte mit Russland hinzukommen. In der Summe sind die Preisentwickelungen stark spekulativ und schwer absehbar. Wobei sich alle darin einig sind, dass das Niveau aus 2020 nicht mehr erreicht wird.
Man hat dem Kunden die ganze Breite an Möglichkeiten und Szenarien darstellen können und ihm die Entscheidungsgewalt übertragen und nicht den Marktmechanismen überlassen.
Schlussendlich hat sich der Kunde für einen Jahresvertrag mit Aufteilung des Zukaufs von 70% am Terminmarkt und von 30% am Spotmarkt entschieden. Die 30% Zukauf am Spotmarkt erklärt sich wie folgt: Der Kunde muss für den Terminmarkt eine Jahres-Bedarfsmenge definieren, diese darf nicht über- oder unterschritten werden. Bei einer Über- oder Unterschreitung erhöht sich das Risiko, dass die Kosten steigen. Die Streuung des Risikos erfolgte durch Zukauf von 70% des Stroms am Terminmarkt und 30% am Spotmarkt, falls der Strom nicht ausreicht und man mehr Strom benötigt.
Warum setzt man auf Jahresverträge und nicht auf kürzere Laufzeiten? Es gibt drei Indizes am Terminmarkt an der sich die Energiepreise orientieren: Quartalsweise, einjährige und mehrjährige. Dabei sind die einjährigen günstiger als die quartalsweisen Verträge. Der Quartalsindex hat eine so hohe Preisbasis, dass wir denken, dass selbst eine Beruhigung im zweiten Halbjahr 2022 das Gap zum Quartalsindex nicht schließen kann. Wir haben auch sichergestellt, dass eine Ausschreibung im Sommer 2022 für das Jahr 2023 möglich ist, wenn sich die Preise beruhigen. So können wir die Preise für das Jahr 2023 im Sommer 2022 fixieren.
Außerdem hat man die verschiedenen Kostenblöcke der Anbieter transparent gemacht. Beispielsweise köderten einige Anbieter mit Treueboni in Höhe von 15.000 €. Anhand der neu erlangten Transparenz konnte dargestellt werden, dass dafür die Zuschläge mit 5 € pro MWh zu hoch sind und der Treuebonus miteinkalkuliert war.
Zuschläge machen nur 2% des Preises aus, hier haben wir 40% Savings erzielt. Des Weiteren konnten durch das bessere Base- u. Peak-Verhältnis nochmal 2% vom gesamten Preis reduziert werden.
Zudem wird der Kunde langfristig begleitet, um auf Basis von Marktransparenz und Benchmarks die Preise der Anbieter in regelmäßigen Ausschreibungen vergleichbar zu machen.
Kontakt:
Kloepfel Group
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