e.GO: Automobilbau neu gedacht
Der Aachener Autobauer e.GO Mobile AG baut mit dem e.GO Life eines der weltweit günstigsten Elektroautos. Zudem wurde der elektrische Viersitzer dreimal schneller als üblich und mit nur einem Zehntel der gängigen Kosten entwickelt.
Innerhalb von nur drei Jahren ist die Serienproduktion des e.GO Life im März 2019 gestartet. Gebaut wurde das Fahrzeug mit einem vergleichsweise geringem Budget. Wie aber hat es e.GO mit seinen Partnern geschafft, den Kleinwagen so effizient zu bauen? Und welche besondere Rolle spielen dabei der Einkauf und das agile Projektmanagement?
Fahrzeugbau komplett neu denken
Professor Dr. Günther Schuh hat das Unternehmen e.GO aus seinen Produktionsforschungen an der RWTH Aachen heraus gegründet. Zum einen wollte er mit dem e.GO Life belegen, dass man mit hochiterativen, also schrittweisen Entwicklungsprozessen, Elektroautos auch im Kleinwagen-Segment bei kleinen Stückzahlen profitabel bauen kann. Zum anderen beweist er, dass die Betriebskosten eines Elektroautos pro gefahrenen Kilometer oder pro Monat günstiger sein können, als vergleichbare Verbrenner-Modelle.
Damit das Projekt e.GO so erfolgreich sein kann, haben Schuh und sein Team die Konstruktions- und Produktionstechnologien der traditionellen Autobauer komplett neu gedacht. Dabei setzt die e.GO-Mannschaft vor allem auf agiles Projektmanagement und einen Management-Begriff, der ursprünglich aus dem Rugby-Sport kommt: Scrum.
Selbstorganisierende Teams und schrittweise Optimierungen
Scrum ist im Rugby der Knäul von Spielern, der sich kämpfend um den Ball bildet. Wie im Rugby braucht die Scrum-Methodik im agilen Projektmanagement schnelle und starke Teams, die konstruktiv zusammenarbeiten.
Auf starre Regeln und zeitfressende Projektdokumentationen, wie die Erstellung von Pflichten- und Lastenheften, wird verzichtet. Vielmehr setzt man auf Eigenverantwortung und Teams, die sich selbst organisieren. So sollen Projekte flexibler und dynamischer vorankommen, als im herkömmlichen Projektmanagement.
Dank Scrum-Management sind alle Aufgaben und Prozesse für das gesamte Team transparent. Ein Blick auf die Projektwand genügt und man sieht schnell, ob eine Arbeit nicht richtig ausgeführt wurde oder liegen geblieben ist. In regelmäßigen Meetings wird dann offen und konstruktiv nach Lösungen gesucht. Dies erfordert Teamgeist, aber auch die Kritikfähigkeit jedes einzelnen Teammitglieds.
Zudem wird besonderer Wert daraufgelegt, dass die Hierarchien flach sind und die Meinung eines Berufsanfängers genauso respektiert wird, wie die des Projektleiters. Andernfalls könnten nützliche Ideen nicht ausgesprochen werden, was dem Projekt schaden würde.
Wenig planen und viel erreichen: Im Gegensatz zum traditionellen Autobau wurde die Produktion des e.GO Life bewusst nicht von Beginn an durchgeplant. Neue Bauteile oder Prozesse konzeptionieren und entwickeln interdisziplinäre Teams, die möglichst einfach und pragmatisch denken. Die so entstandenen Prototypen und Abläufe werden schließlich virtuell und real auf Tauglichkeit getestet. Funktioniert etwas nicht, wird es umgehend verworfen oder komplett neu gedacht. Bauteile und Prozesse werden bei e.GO so hochiterativ aus der Praxis heraus optimiert und weiterentwickelt.
Die Vernetzung: horizontal statt vertikal
Agiles Projektmanagement funktioniert nur mit schnellen und reibungslosen Informationsflüssen. Während sich der klassische Automobilbau vertikal vernetzt hat und so Informationen eher langsam fließen, sich verfälschen oder gar untergehen können, setzt e.GO auf die horizontale Vernetzung seiner Mitarbeiter und Abteilungen.
Beispielsweise wurden bei e.GO die internen Einkäufer und die Einkaufsexperten der Kloepfel Group schon frühzeitig in den Entwicklungsprozess mit eingebunden. Dieses Einkaufskonzept des Advanced Purchasings hilft den Einkäufern, das Produkt und die Bedarfe besser zu verstehen. Dadurch erübrigen sich zeitraubende Rücksprachen und der Einkauf kann sowohl kompetent als auch autark mit den Lieferanten verhandeln. Letztlich konnten so die Bedarfe sowohl technisch als auch kostenseitig optimiert werden.
„Durch seine Produktkompetenzen wurde der Einkauf außerdem zum netzwerkenden Innovationstreiber, um wichtige Lieferanten zu Entwicklungspartnern aufzubauen“, sagt Robert Grosch, Vice President Procurement bei e.GO.
Lieferanten: die Vision als Bindeglied
Eine weitere Herausforderung im Einkauf war die Marktstellung der Lieferanten, da deren Kundenkreis recht überschaubar ist. Im Gegensatz zu den großen Autoherstellern kauft e.GO nicht in so großen Mengen ein, dass sie mit den Lieferanten größere Mengenrabatte vereinbaren können.
Daher vermittelten die Einkäuferteams den Lieferanten gemeinsam mit den Einkaufsspezialisten der Kloepfel Group die Vision und Zukunftspotenziale von e.GO für das gemeinsame Wachstum. Hier zeigt sich, dass ein guter Einkäufer mehr können muss, als eben nur zu bestellen. Er muss bei den Lieferanten auch Vertrauen in die Vision aufbauen können.
Der Einkauf: schlank und kreativ
Im Einkauf von e.GO arbeiten über 20 Manager, vom indirekten Einkauf, über den Capex-Bereich, bis hin zum strategischen Einkauf. Um diese von nicht wertschöpfenden Arbeiten zu entlasten, wurde beispielsweise das Anlegen von Bestellungen und die Rechnungsprüfung an deutschsprachige Einkaufsmanager von Kloepfel Services in der Slowakei ausgelagert.
Neben einem schlanken ist auch ein kreativer Einkauf gefragt. Um die Lager von e.GO nicht unnötig zu belasten und auf der anderen Seite passende Lieferanten zu finden, wendete sich Kloepfel bei bestimmten Teilen nicht immer an die klassischen Automobilzulieferer. Stattdessen fand man unter anderem geeignete Partner bei Produzenten von Spezialfahrzeugen, da diese auf die Produktion von Kleinserienteilen eingestellt sind.
Konstruktion mit spitzem Bleistift
Während die Autokonzerne allein schon in die Entwicklung von Scheinwerfern oder Autositzen Millionen investieren, verzichtete man bei e.GO weitgehend auf derlei kostspieligen Entwicklungsaufwand. Stattdessen überlegte man, welche Bauteile es schon auf dem Markt gibt, die man preisgünstig anpassen kann. Nur das, was e.GO nicht auf dem Markt fand, wurde selbst entwickelt.
Auch beim Material wurde neu gedacht: So baut e.GO beispielsweise das Chassis seiner Fahrzeuge aus Aluprofilen, für deren Herstellung günstige Werkzeuge ausreichen. Alleine der Werkzeugsatz für ein vergleichbares Chassis kostet etwa 120 Millionen Euro. Das ist das Vielfache dessen, was e.GO ausgibt.
Die Außenhaut wiederum besteht aus Thermoplast, dem Kunststoff, der üblicherweise für Stoßstangen zum Einsatz kommt. Teure Lackierungen und Rostschutz werden so überflüssig. Vorteile: Gewichteinsparung, durchgängige Formgebung, günstige Reparaturen im Schadensfall und verbesserte Sicherheit.
„Das Beispiel e.GO zeigt, wie wichtig der Einkauf dabei ist, Produktion neu zu denken, um innovative Produkte zu marktfähigen Preisen anbieten zu können. Dazu braucht es Einkäufer, die neben ihrer Fachkompetenz auch eine hohe soziale Kompetenz aufweisen und an die Vision ihres Unternehmens glauben“, erklärt Grosch.
Das Kloepfel Projekt in Zahlen
Teamgröße | Sechs Berater der Kloepfel Group |
Laufzeit | Insgesamt 2,5 Jahre, Projekt läuft noch |
Alle Einkaufsthemen des Fahrzeugs | Powertrain E/E – Connectivity Body / Frame Chassis & Safety Interior Exterior |
Maßnahmen | Lieferantenrecherche / Ausschreibungen Capex-Einkauf Outsourcing operativer Aufgaben (Bestellanlage / Rechnungsprüfung) Entwurf einkaufsrelevanter Dokumente Erstellung abgestimmter Prozessketten Ausschreibungen – Direktverhandlungen |
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