Nik Gugger über politische Verantwortung, kulturelle Missverständnisse – und wie er zur Schlüsselfigur im Abkommen wurde
Niklaus-Samuel «Nik» Gugger ist Schweizer Nationalrat und Sozialunternehmer mit indischen Wurzeln. Im Interview spricht er über seine Rolle als „inoffizieller Botschafter der Schweiz“ beim Freihandelsabkommen mit Indien, über kulturelle Stolperfallen in internationalen Verhandlungen – und ein KI-gestütztes Tool, das europäische Entscheider auf die indische Geschäftskultur vorbereitet.

1. Herr Gugger, Sie sind Politiker, Unternehmer, Autor – und bis vor Kurzem auch Gastronom. Was treibt Sie an?
Ich schöpfe meine Energie aus einer inneren Überzeugung: Dass der Mensch mehr ist als Leistung. Mein Glaube spielt dabei eine zentrale Rolle – nicht als Dogma, sondern als Quelle von Zuversicht und Klarheit. Für mich ist Spiritualität kein Ritual, sondern eine Haltung im Alltag.
Und: Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Begegnung auf Augenhöhe gibt mir Energie. Ich frage nicht: „Warum geht das nicht?“, sondern: „Wie könnte es doch gehen?“ Dieses unternehmerische Denken trägt mich durch viele Rollen – vom Nationalrat bis zum Netzwerker zwischen Kulturen.
2. Sie wurden in Indien geboren, leben in der Schweiz und bauen seit Jahren Brücken zwischen beiden Ländern. Wie prägt Ihre Biografie Ihr politisches Engagement?
Ich bin in Südindien geboren und wurde als Kleinkind in die Schweiz adoptiert. Diese doppelte Identität ist für mich kein Widerspruch, sondern ein Geschenk: Ich verstehe beide Welten – nicht nur rational, sondern emotional.
In einer Zeit, in der kulturelle Missverständnisse oft ganze Verhandlungen scheitern lassen, sehe ich es als meine Aufgabe, zu vermitteln. Politik, Wirtschaft und Kultur lassen sich nicht voneinander trennen – sie bedingen einander.
3. Indiens Handelsminister Piyush Goyal hat Sie als „inoffiziellen Botschafter der Schweiz“ bezeichnet. Was bedeutet das für Sie?
Es war eine große Ehre – weniger wegen des Titels, mehr wegen der Anerkennung für die Arbeit im Hintergrund. In internationalen Beziehungen zählen nicht nur Verträge, sondern Vertrauen.
Für mich heißt „Botschafter“ sein: zuhören, deuten, Beziehungen aufbauen. Dass Minister Goyal das öffentlich gesagt hat, zeigt, wie wichtig kulturelle Empathie in der Diplomatie ist – oft mehr als Protokoll und Paragraphen.
4. Wie sah Ihre konkrete Rolle beim Freihandelsabkommen aus – jenseits offizieller Mandate?
Ich war nie formell Teil der Delegation, aber oft im Raum – als Vermittler, als „kultureller Übersetzer“. Zum Beispiel in London, bei intensiven Verhandlungsrunden, habe ich darauf geachtet, wer wirklich Einfluss hat – auch jenseits der offiziellen Titel. In einem Fall habe ich eine stille, aber zentrale Figur erkannt – eine Art „graue Eminenz“ – und diesen Hinweis an die Schweizer Seite weitergegeben.
Solche Einsichten entstehen nur, wenn man beide Kulturen versteht – und sich zwischen den Zeilen orientieren kann. Ich habe dort geholfen, wo offizielle Kanäle nicht weiterführten.
5. Nach über 16 Jahren wurde das Freihandelsabkommen endlich unterzeichnet. Warum hat es aus Ihrer Sicht gerade jetzt funktioniert?
Weil zur richtigen Zeit die richtigen Menschen Verantwortung übernommen haben. In der Schweiz haben Bundesrat Parmelin und Staatssekretärin Helene Budliger das Dossier nicht nur technisch, sondern politisch geführt. In Indien hat Minister Goyal erkannt, dass strategische Partnerschaften Indien global stärken.
Dazu kommt: Viele junge indische Entscheidungsträger haben im Westen studiert und bringen interkulturelle Kompetenz mit. Und: Erstmals verpflichten sich die EFTA-Staaten zu konkreten Investitionen – über 100 Milliarden Dollar, mit dem Ziel, eine Million Jobs in Indien zu schaffen. Das ist mehr als Handel – das ist geopolitische Zusammenarbeit.
6. Was sind Ihre wichtigsten Lehren aus dem langen Verhandlungsprozess?

Indien verlangt Respekt, nicht Belehrung. Viele Europäer – oft unbewusst – treten mit einer Haltung der Überlegenheit auf: effizienzgetrieben, regelorientiert, distanziert. Doch in Indien zählt die Beziehungsebene mehr als jedes Vertragsdetail.
Verhandlungen brauchen Geduld. Vertrauen entsteht durch Kontinuität, nicht durch Eile. Wer glaubt, mit westlicher Direktheit schneller ans Ziel zu kommen, erreicht oft das Gegenteil.
7. Welche drei Empfehlungen geben Sie europäischen Unternehmern für den Erfolg in Indien?
Wer in Indien bestehen will, muss mehr mitbringen als einen Businessplan. Drei Prinzipien sind entscheidend:
Darshan – gesehen werden: In Indien bedeutet Vertrauen, persönlich präsent zu sein. Nicht nur als Geschäftspartner, sondern als Mensch. Ein echtes Gespräch, eine geteilte Geschichte – das wiegt mehr als PowerPoint oder Pitchdeck.
Jugaad – kreative Flexibilität: Indische Partner denken in Lösungen, nicht in starren Prozessen. Wer zu sehr auf Regeln pocht, scheitert oft an der Realität. Wer sich auf pragmatische Wege einlässt, findet oft erstaunlich innovative Resultate.
Verletzlichkeit – Vertrauen entsteht im Risiko: Wer bereit ist, nicht nur finanziell, sondern auch persönlich zu investieren, wird oft belohnt. In Indien zählen emotionale Intelligenz und Risikobereitschaft mehr als Zahlenkolonnen.
8. Sie haben mit Prof. Dr. Roger Moser einen KI-gestützten Verhandlungscoach für den Indien-Kontext entwickelt. Warum?
Weil ich immer wieder dieselben Missverständnisse erlebt habe – auf beiden Seiten. Europäer halten indische Zurückhaltung oft für Intransparenz. Inder empfinden europäische Direktheit schnell als respektlos.
Deshalb haben wir ein Tool entwickelt, das europäische Entscheider auf reale Gesprächssituationen mit indischen Partnern vorbereitet – kulturell, emotional, strategisch. Ergänzt wird das Ganze durch einen Leitfaden zur kulturellen Navigation. Ziel ist nicht, Indien zu „optimieren“, sondern zu verstehen.
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Negotiating in India ist der erste KI-gestützte Verhandlungscoach speziell für europäische Entscheider – entwickelt von Nik Gugger und Prof. Dr. Roger Moser. Ergänzt wird das Tool durch ein begleitendes Training & Coaching-Programm, das kulturelle Kompetenzen vermittelt und Verhandlungen auf Augenhöhe ermöglicht. Mehr dazu im LinkedIn-Newsletter GANESHA – mit kritischen Reflexionen, praktischen Einblicken und Analysen zur schweizerisch-indischen Zusammenarbeit.
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Das Freihandelsabkommen Schweiz–Indien ist unterzeichnet – und auch die EU will noch 2025 ein Abkommen mit Indien abschließen.
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