Mit der Reifegradanalyse zum Transformations-Fahrplan
In einer Zeit, in der Margen schrumpfen und Lieferketten komplexer werden, wirkt eine professionelle Reifegradanalyse im Einkauf wahre Wunder. Frank Wischnewski, Head of Transformation bei Kloepfel Consulting, erklärt im Interview, wie eine Reifegradanalyse binnen vier Wochen ungenutzte Potenziale im Einkauf sichtbar macht. Sie liefert außerdem einen klaren Fahrplan, wie der Einkauf vom reaktiven Abwickler zum strategischen Werttreiber entwickelt werden kann. Das Ergebnis: 7,5 bis 18 Prozent mehr EBIT – und das oft schneller, als man denkt.
Was genau versteht Kloepfel unter einer Reifegradanalyse – und wozu dient sie konkret?

Die Reifegradanalyse ist eine strukturierte Standortbestimmung des Einkaufs. Sie beantwortet die Frage: Wo steht der Einkauf heute – und im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen? Dafür nutzen wir Benchmarks, die sich aus Branche, Unternehmensgröße und Leistungsniveau zusammensetzen. Auf dieser Basis bewerten wir den Einkauf entlang von sechs Dimensionen: Strategie, Organisation, Prozesse, Mitarbeiter, Tools und KPIs.
Wir holen sowohl eine Selbsteinschätzung des Kunden ein als auch unsere eigene Bewertung und gleichen beides mit dem Benchmark ab. Dabei geht es auch darum, abteilungsübergreifend zu klären, wohin sich der Einkauf überhaupt entwickeln soll.
Am Ende weiß der Kunde, wo er steht – und erhält einen konkreten Fahrplan, wie er sich gezielt weiterentwickeln kann.
Wie läuft eine Reifegradanalyse typischerweise ab?
Nach der Beauftragung starten wir mit einer strukturierten Datenerhebung. Dazu gehören etwa vorhandene Einkaufsrichtlinien, Spend-Daten oder Strategiepapiere. Parallel verschicken wir einen Online-Fragebogen an alle relevanten Stakeholder – vom Einkauf über angrenzende Abteilungen bis hin zur Geschäftsführung. Der Fragebogen umfasst Einschätzungen auf einer Skala von 1 bis 10 und dauert etwa 15 Minuten. So erhalten wir ein 360-Grad-Bild des Einkaufs aus interner Sicht.
Wie geht es dann weiter?
Anschließend führen wir Interviews – vor Ort und in der Regel rund 90 Minuten lang – mit strategischen und operativen Einkäufern, an den angrenzenden Fachabteilungen und dem Management. Diese Gespräche ermöglichen uns eine tiefere qualitative Einschätzung. Im Anschluss werten wir alle Daten und Eindrücke aus, führen eine Benchmark-Analyse durch und erstellen eine Roadmap. Der Kunde erhält eine Auswertung pro Dimension sowie Handlungsempfehlungen für die nächsten drei bis fünf Jahre.
Wie konkret sind diese Empfehlungen?
Sehr konkret. Wenn zum Beispiel eine Einkaufsstrategie fehlt oder nicht mehr zur Unternehmensstrategie passt, empfehlen wir klare Maßnahmen – etwa die Ausrichtung an Unternehmenszielen, die Einführung transparenter Jahresplanungen oder die Entwicklung strukturierter Warengruppenstrategien. Wir schätzen auch die Potenziale: Bei einem aktuellen Kunden erwarten wir etwa 10 bis 15 Prozent Materialkosteneinsparung.
Wie lange dauert die Reifegradanalyse von der Datenerhebung bis zum Fahrplan?
2 bis 4 Wochen, abhängig von der Unternehmensgröße und Verfügbarkeit. Wir hatten beispielsweise ein Unternehmen mit 12 Einkäufern, wo wir 24 Interviews führten und die gesamte Reifegradanalyse 4 Wochen benötigte.
Wo entdeckt ihr bei Kundenprojekten am häufigsten ungenutztes Potenzial?
Oft liegt es in der fehlenden strategischen Einbindung des Einkaufs. Viele Einkaufsabteilungen sind im reaktiven „Feuerwehrmodus“ unterwegs, statt als Werttreiber zu agieren. Prozesse sind ineffizient, Zuständigkeiten unklar, der Einkauf wird intern oft nur als Abwickler wahrgenommen, statt als entscheidender Hebel zur Ergebnisverbesserung.
Häufig passt die Einkaufsstrategie nicht zur Unternehmensstrategie. Der Fokus liegt dann auf Verfügbarkeit der zu beschaffenden Teile, statt auf langfristiger Wertschöpfung. Getreu dem Motto: „Bestell mal eben…“.
Im Mittelstand wird der Einkauf immer noch als Abwickler gesehen, nicht als Werttreiber. Das führt zu ineffizienter Organisation. Potenzial liegt in der Optimierung der sechs genannten Säulen, also Strategie, Organisation, Prozesse, Mitarbeiter, Tools und KPIs. Einkauf schafft Margen, Vertrieb Umsatz.
Welche überraschenden Erkenntnisse liefert die Analyse häufig?
Häufig erleben wir, dass Unternehmen eine klare Erwartungshaltung haben. Bspw. soll der Einkauf digitaler werden. In unserer Standortbestimmung stellen wir dann allerdings fest, dass dazu die Grundlagen wie eine saubere Einkaufsstrategie fehlen. Auch interne Einschätzungen der Einkäufer und der Fachabteilungen fallen oft überraschend aus und zeigen blinde Flecke auf.
Wie gelingt es, aus der Analyse echte Veränderungen zu machen?
Das ist tatsächlich die größte Herausforderung. Jede Transformation bedeutet Veränderung – und damit auch Widerstände. Wichtig ist, dass die Geschäftsleitung hinter dem Projekt steht. Wir liefern eine Roadmap mit Quick-Wins, mit denen sich erste Erfolge und Gegenfinanzierungen erzielen lassen.
Entscheidend ist auch eine saubere Kommunikation und ein tragfähiges Change-Management. Das beinhaltet ein Kommunikationskonzept, transparente Messung der Fortschritte und regelmäßige Updates. Daher spielt auch die Neuausrichtung des Controllings bei der Umsetzung eine zentrale Rolle. Die Definition und Überwachung von KPIs, helfen dem Einkauf, seine Erfolge sichtbar zu machen, um so intern an Bedeutung zu gewinnen.
Und wenn die Organisation nicht mitzieht?
Schwierig wird es, wenn nur Einkauf oder Geschäftsführung überzeugt sind – entscheidend ist, dass alle relevanten Bereiche gemeinsam handeln. Manchmal fühlen sich Einkaufsleiter auch persönlich angegriffen, wenn etwa ein Private Equity-Investor die Analyse initiiert. Hier setzen wir auf Vertrauen und Zusammenarbeit. Wir betonen auch immer: Es geht nicht darum, Lücken zu aufzudecken, sondern darum den Einkauf skalierbar zu machen – das ist auch wichtig beim Thema Fachkräftemangel.
Welche Bedeutung haben digitale Tools und KI bei der Bewertung und Umsetzung der Erkenntnisse?
Sie nehmen eine zentrale Rolle ein. Wir nutzen intern BI-Dashboards und KI-gestützte Tools zur Datenstrukturierung und -auswertung. Besonders hilfreich ist das bei heterogenen Datenformaten oder zur Vorprüfung von Dokumenten wie Einkaufsstrategien. So gewinnen wir in kurzer Zeit belastbare Erkenntnisse und können die Analyse effizient abschließen.
Welchen konkreten wirtschaftlichen Effekt kann eine Umsetzung der Empfehlungen bringen?
Wenn das Unternehmen die gesamte Roadmap konsequent umsetzt – was wir als Berater meist nur eine gewisse Zeit begleiten – rechnen wir mit einem kumulierten EBIT-Hebel von rund 7,5 bis 18 Prozent. Teilweise kann dieser auch höher ausfallen, aber wir stapeln bewusst tief.
Besonders bemerkenswert ist: Der Break-even der gesamten Transformation – also inklusive unserer Beratungsleistung und des internen Aufwands des Kunden – liegt bei unter neun Monaten. Das bedeutet, dass sich die Investition bereits vor Abschluss der Transformation rechnet. Ab diesem Zeitpunkt beginnen die Maßnahmen, echten Gewinn zu erwirtschaften.
Was empfehlt ihr Unternehmen, die glauben, eigentlich ganz gut aufgestellt zu sein?
Ein Standortcheck schadet nie – selbst wenn am Ende nur bestätigt wird, dass man gut aufgestellt ist. Viel häufiger entdecken wir aber doch Verbesserungspotenziale, die vorher nicht auf dem Radar waren. Und wenn sich daraus ein EBIT-Hebel von 7,5 bis 18 Prozent ergibt, ist das bares Geld – insbesondere bei größeren Unternehmen.
Kontakt:
Kloepfel Group
Damir Berberovic
Tel.: 0211 941 984 33 | Mail: rendite@kloepfel-consulting.com