- Die deutsche Wirtschaft hat sich nach dem Kriegs-Schock vorerst stabilisiert. Die Produktion verzeichnete wieder einen leichten Anstieg, wird aber weiterhin von den Kriegsfolgen gebremst. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe waren erneut von Unsicherheit geprägt und gingen spürbar zurück. Die Stimmung in den Unternehmen hat sich allerdings aufgehellt. Vor allem die Beurteilung der aktuellen Lage war deutlich optimistischer, die Erwartungen blieben gedämpft.
- Die Umsätze im Einzelhandel haben sich im April gegenüber dem Vormonat wieder deutlich verringert, nachdem sie im März gestiegen waren. Die Stimmung unter den Verbrauchern wird maßgeblich von der Unsicherheit aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der hohen Inflation getrübt, was sich nicht so schnell ändern dürfte.
- Die Inflationsrate erhöhte sich von April auf Mai um 0,4 Prozentpunkte auf 7,8 % und lag damit auf einem Niveau wie zuletzt im Winter 1973/74 während der ersten Ölkrise. Die Preise für Energie trugen mit rund
4 Prozentpunkten am stärksten zur hohen Inflationsrate bei. Nahezu
1 Prozentpunkt kam von dem Preisanstieg für Nahrungsmitteln. Die Kernrate, bei der diese beiden volatilen Preiskomponenten herausgerechnet werden, blieb allerdings unverändert bei 3,8 %. - Der Arbeitsmarkt zeigt sich weiter stabil, auch wenn die Dynamik am aktuellen Rand etwas nachlässt. Im Mai ging die registrierte Arbeitslosigkeit saisonbereinigt erneut zurück und die Erwerbstätigkeit hat im April saisonbereinigt merklich zugenommen. Die Inanspruchnahme der Kurzarbeit lag im März mit rund 0,55 Mio. Personen deutlich niedriger als im Vormonat.
DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT ZEIGT SICH ROBUST – AUSBLICK WEITER VON UNSICHERHEIT GEPRÄGT
Die deutsche Wirtschaft hat sich nach der russischen Invasion der Ukraine vorerst stabilisiert. Die ersten verfügbaren Indikatoren für den Berichtsmonat April entwickelten sich nach dem ersten Kriegs-Schock im März uneinheitlich. Die Industrieproduktion war leicht aufwärtsgerichtet, auch der deutsche Außenhandel erholte sich. Dennoch ist die Unsicherheit seit Kriegsbeginn nach wie vor hoch. Dies zeigte sich vor allem in den rückläufigen Auftragseingängen im Verarbeitenden Gewerbe, aber auch die Einzelhandelsumsätze haben sich wieder deutlich verringert. Die hohe Inflation zehrt an der Kaufkraft und dämpft die Konsumstimmung, auch wenn sich die Rücknahme von Corona-Beschränkungen in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen – für sich genommen – positiv auswirkte. Die umfragebasierten Stimmungsindikatoren hellten sich im Mai auf, das ifo Geschäftsklima stieg merklich an. Dabei verbesserte sich vor allem die Beurteilung der aktuellen Lage. Die Erwartungen veränderten sich kaum.
Die Inflationsrate erhöhte sich im Mai nochmals und liegt nun mit 7,9 % auf einem Niveau wie zuletzt im Winter 1973/74 während der ersten Ölkrise. Nach wie vor sind es vor allem die Preise für Energie, die die allgemeine Teuerung treiben, aber auch die Preise für Nahrungsmittel nahmen im Mai merklich zu. Der Ausblick für die weitere wirtschaftliche Entwicklung steht damit weiter unter dem Vorzeichen der hohen Energiepreise, wobei der eingeführte Tankrabatt für eine Entlastung in den Sommermonaten sorgen dürfte. Die weitere Entwicklung ist jedoch auch von den Unsicherheiten aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine geprägt.
WELTWIRTSCHAFT ENTWICKELT SICH ZURÜCKHALTENDER
Die Weltwirtschaft wird weiterhin vom Krieg in der Ukraine beeinflusst.
Die weltweite Industrieproduktion war im März mit -1,0 % gegenüber Vormonat rückläufig. Auch der Welthandel verringerte sich gegenüber Februar, wenn auch nur leicht (-0,2 %). Der Stimmungsindikator von S&P Global (ehemals IHS Markit) spricht für eine leichte Erholung. Er stieg im Mai auf 51,50 Punkte und lag damit weiterhin über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die ifo-Exporterwartungen waren ebenfalls etwas optimistischer als im Vormonat. Wegen der strikten Null-Covid-Politik in China mit ihren weitreichenden Schließungen ganzer Ballungsräume stehen im Hafen von Shanghai immer noch rund 3 % der weltweiten Containerfrachtkapazität im Stau. Zwar gab es in Shanghai zuletzt weitreichende Lockerungen, sollte es aber erneut zu Lockdowns solcher Größenordnungen in China kommen, dann wären verschärfte Lieferengpässe und eine weitere Verlangsamung des Welthandels nicht auszuschließen.
DEUTSCHER AUSSENHANDEL AUF ERHOLUNGSKURS
Der deutsche Außenhandel hat sich im April von seinem kriegsbedingten Rückgang erholt. Die nominalen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen sind im April saisonbereinigt um 3,2 % gegenüber dem Vormonat gewachsen. Die Ausfuhren haben damit einen Teil des Rückgangs im März (-4,5 %) wettgemacht. Im Zweimonatsvergleich ergibt sich ein leichtes Plus von 0,3 %. Die Exportpreise sind im April um 0,7 % gestiegen und dürften die Waren-Exporte in realer Rechnung leicht dämpfen.
Auch die Importe von Waren und Dienstleistungen legten im April nominal zu. Saisonbereinigt kam es zu einem Anstieg um 1,7 %. Im Zweimonatsvergleich ergibt sich ein kräftiges Plus von 8,3 %. Bei nochmals gestiegenen Importpreisen im April (+1,7 %) dürfte die reale Entwicklung schwächer ausgefallen sein.
Im Berichtsmonat April hat sich der deutsche Außenhandel mit Waren laut Statistischem Bundesamt insgesamt vom Effekt des Kriegs in der Ukraine erholt. Die erlassenen Sanktionen und Exportbeschränkungen sowie der freiwillige Rückzug aus dem Handel mit Russland hatten im Vormonat maßgeblich zum Einbruch der Ausfuhren beigetragen. Die Waren-Exporte nach Russland sanken aber auch im April nochmals deutlich um 10,0 %.
Auch bei den Waren-Importen aus Russland zeigt sich ein deutlicher Effekt: Sie brachen um 16,4 % ein. Im Gegensatz zu den Exporten waren die Importe aus Russland im Vormonat noch relativ stabil geblieben. Aus Russland importiert Deutschland vor allem Energiegüter wie Öl und Gas sowie Rohstoffe. Da diese Güter von den Sanktionen ausgenommen sind bzw. noch Übergangsfristen gelten wurde der Handel hier zunächst aufrechterhalten. Dass die Importe aus Russland nun so kräftig zurückgingen deutet darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft Importe aus Russland zunehmend ersetzt und unabhängiger von Russland wird.
Vorläufige Entspannung zeigte sich im April bei den Einfuhren aus China: Trotz langem Lockdown in Shanghai und der Schiff-Staus im dortigen Hafen sind die Importe aus der Volksrepublik China um 12,3 % gestiegen. Die deutschen Ausfuhren nach China sanken hingegen um 4,5 %. Die im April deutlich reduzierte Zahl an Container-Abfertigungen im Hafen von Shanghai konnte sich seit Mitte Mai wieder erholen und liegt nun etwa auf dem Stand von Anfang Januar. Trotz der Lockerungen in Shanghai von Ende Mai könnte es mit Verzögerung noch zu Engpässen in Deutschland kommen.
Containerdaten des IfW Kiel deuten darauf hin, dass sich die Ein- und Ausfuhren im Mai relativ stabil halten dürften. Die ifo-Exporterwartungen konnten auch im Mai nochmal zulegen (+4,5 Saldenpunkte). Der Ausblick für den deutschen Außenhandel in den kommenden Monaten fällt somit optimistischer aus als noch im Vormonat.
PRODUKTION STEIGT – WEITERHIN ABER KRIEGSBEDINGT GEDÄMPFT
Im April stieg die Produktion im Produzierenden Gewerbe um 0,7 % gegenüber dem Vormonat. Während die Industrie ihren Ausstoß nur leicht anheben konnte (+0,3 %), erholte sich der Bereich Energie deutlicher von seinem Einbruch im März (+16,1 %). Im Baugewerbe wurde die Produktion hingegen gedrosselt (-2,1 %).
Die deutsche Industrieproduktion wird derzeit durch den russischen Angriffskrieg gedämpft. Zum einen ist Deutschland als exportorientiertes Land überproportional von den Handelssanktionen gegenüber Russland betroffen. Zum anderen ergibt sich durch gestörte Lieferketten ein Mangel bei wichtigen Vorleistungsgütern. Zu Beginn des Kriegs beeinträchtigten fehlende Kabelbäume den Kfz-Bereich, zuletzt erhöhte sich hier die Produktion im April nach sehr starken Rückgang im März wieder um 6,8 %. Der gewichtige Maschinenbau reduzierte seine Produktion hingegen um 1,0 %. Generell verteuern die hohen Preise für Strom, Gas und Öl kurzfristig viele Produktionsprozesse . Im energieintensiven Bereich „Glas, Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ wurde die Produktion um 3,1 % gedrosselt. In der Metallerzeugung und -bearbeitung wurden die Einbußen aus dem Vormonat mit einer Steigerung um 2,3 % nur teilweise aufgeholt.
Der russische Krieg in der Ukraine sorgt nun neben der Steigerung von Energie- und Rohstoffpreisen für Knappheiten für die Produktionsprozesse wichtiger Inputs. Der Ausblick ist derzeit durch große Unsicherheit gekennzeichnet.
Vor diesem Hintergrund haben die Auftragseingänge im April gegenüber dem Vormonat um 2,7 % abgenommen. Dieser Rückgang markiert die dritte Abwärtsbewegung in Folge. Zuletzt lagen die Auftragseingänge arbeitstäglich bereinigt deutlich niedriger als ein Jahr zuvor (-6,2 %). Die Auftragslage ist allerdings nach wie vor außergewöhnlich gut. Das geringere Ordervolumen wurde vor allem von einer niedrigeren Nachfrage nach Investitionsgütern (-4,3 %), aber auch nach Konsumgütern (-2,6 %) getrieben. Die Bestellungen von Vorleistungsgütern verringerte sich indes nur leicht (-0,3 %). Geografisch schlägt ein spürbares Nachfrageminus aus dem Ausland von 4,0 % zu Buche (Euroraum -5,6 %, Nicht-Euroraum -3,0 %). Bei den Bestellungen aus dem Inland kam es zu einer Abnahme um 0,9 %. Im gewichtigen Automobilbereich ergab sich ein Orderrückgang um 8,6 %. Es gab allerdings auch einzelne Branchen, die zunehmende Auftragseingänge verzeichneten, wie der Maschinenbau (+3,8 %), die Bekleidungsindustrie (+7,7 %) und der Bereich Elektrischer Ausrüstungen (+1,3 %). Die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe hellte sich im Mai gegenüber dem Vormonat erneut merklich auf. Vor allem die Geschäftserwartungen fielen optimistischer aus, während sich die Einschätzung der aktuellen Lage nur leicht verbesserte.
EINZELHANDELSUMSATZ GEHT ZURÜCK, PREISE STEIGEN WEITER
Im Einzelhandel ohne Kfz haben sich die Umsätze im April gegenüber dem Vormonat um 5,4 % verringert, nachdem sie im März um 0,9 % zugenommen hatten. Die Umsätze lagen damit zuletzt um 0,3 % unter ihrem Niveau von einem Jahr zuvor. Dabei meldete der Handel Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren zwar ein Minus gegenüber dem Vormonat von 4,3 %, konnte allerdings gegenüber dem Vorjahresmonat ein hohes Plus von 123,4 % verbuchen. Der Internet- und Versandhandel erzielte im April gegenüber dem Vormonat einen Umsatzzuwachs von 5,4 %, während er im Vergleich zum Vorjahresmonat 9,6 % an Umsatz einbüßte. Bei den Neuzulassungen von Pkw durch private Halter kam es im Mai zu einer Zunahme um 6,4 %, nachdem im Vormonat ein spürbarer Rückgang von 11,2 % verzeichnet worden war.
Die Stimmung unter den Konsumenten wird maßgeblich durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die weiterhin hohe Inflation getrübt. Die beiden gängigen Frühindikatoren sprechen für eine massive Verunsicherung bei den privaten Verbrauchern: Das GfK Konsumklima dürfte sich nach seinem historischen Tiefststand im Mai nur geringfügig aufgehellt haben. Auch die ifo Geschäftserwartungen im Einzelhandel konnten im Mai per saldo nur leicht von einem sehr niedrigen Niveau aus wieder etwas zulegen.
Das Niveau der Verbraucherpreise hat sich im Mai gegenüber dem Vormonat voraussichtlich um 0,9 % und damit den sechsten Monat in Folge erhöht. Energie verteuerte sich zuletzt wieder (+2,8 %), nachdem sie sich im April verbilligte (-3,1 %). Die Preise für Nahrungsmittel nahmen im Mai spürbar zu (+2,1 %; April: +3,6 %). Die Inflationsrate, also die Entwicklung des Preisniveaus binnen Jahresfrist, legte im Mail spürbar um weitere 0,4 Prozentpunkte auf 7,9 % zu, während sie zu Beginn des Jahres noch unter 5 % gelegen hatte. Auf einem ähnlich hohen Niveau lag die Inflationsrate zuletzt während der ersten Ölkrise im Winter 1973/1974. Vor allem die Preise für Energie treiben die Inflation; sie haben sich im Zuge des russischen Kriegs in der Ukraine kräftig erhöht. So geht etwa die Hälfte der Inflationsrate auf das Konto der Energieträger zurück (rd. 4 Prozentpunkte); sie verteuerten sich gegenüber dem Vorjahresmonat um 38,3 %. Für den Berichtsmonat Juni ist u. a. aufgrund des Tankrabatts mit einem dämpfenden Effekt auf den Preisanstieg zu rechnen. Auch Nahrungsmittel trugen merklich zur hohen Inflationsrate mit bei (nahezu 1 Prozentpunkt); hier lag die jährliche Zuwachsrate bei 11,1 %. Die Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) befand im Mai allerdings unverändert bei 3,8 %, zu Beginn des Jahres hatte sie jedoch noch unter 3 % gelegen. Eine rasche Entspannung des derzeit zu beobachtenden Inflationsdrucks ist angesichts der Unsicherheiten aufgrund des Kriegs Russlands in der Ukraine nicht absehbar.
ARBEITSMARKT BLEIBT STABIL, DYNAMIK SCHWÄCHT SICH ETWAS AB
Der Arbeitsmarkt zeigt sich weiter stabil, auch wenn die Dynamik am aktuellen Rand etwas nachlässt. Die registrierte Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung gingen im Mai saisonbereinigt geringfügig zurück und verringerten sich um 4.000 bzw. 5.000 Personen. Damit hat sich die Abgangszahl etwas abgeschwächt. Weil im Winter weniger Arbeitslosigkeit aufgebaut wurde, fällt die Frühjahrsbelebung nun etwas schwächer aus. In Ursprungswerten verringerte sich die registrierte Arbeitslosigkeit um 50.000 auf 2,26 Mio. Personen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren 428.000 Personen weniger arbeitslos gemeldet. Auch bei Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung setzte sich der bisherige positive Verlauf weiter fort. Die Erwerbstätigkeit erhöhte sich im April saisonbereinigt um 55.000 Personen. In Ursprungswerten waren damit 45,4 Millionen Menschen erwerbstätig, 771.000 Personen mehr als im Vorjahresmonat. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wuchs im März merklich um 31.000 Personen gegenüber dem Vormonat. Die Inanspruchnahme der Kurzarbeit lag im März mit rund 0,55 Mio. Personen deutlich niedriger als im Vormonat. Die Anzeigen der Kurzarbeit waren auch im Mai rückläufig und deuten auf einen weiteren Abbau hin. Die Anzeigen konzentrieren sich nun wieder auf das Produzierende Gewerbe. In den konsumnahen Dienstleistungen spielt die Kurzarbeit nach den Lockerungen nur noch eine geringe Rolle. Die Frühindikatoren lassen eine weiterhin günstige Entwicklung des Arbeitsmarkts erwarten. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiter auf hohem Niveau. Im Juni könnte sich trotzdem ein leichter Anstieg bei der registrierten Arbeitslosigkeit zeigen. Dazu dürfte maßgeblich die Fluchtmigration der vergangenen Monate beitragen.
Weitere InformationenQuelle: www.bmwk.de